Die Filmstarts-Kritik zu GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia (2024)

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GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia

Von Ulrich Behrens

Einen wahren Klassiker des Gangsterfilms – wenn man dieses Genre bei Filmen von Martin Scorsese bemühen will – lieferte der Meister 1990 mit diesem Streifen aus dem Mafia-Milieu, der die wahre Geschichte des Gangsters Henry Hill, seinen Aufstieg und seinen Fall, von den 50er bis in die 80er Jahre zum Gegenstand hat.

"Solange ich denken kann, wollte ich immer Gangster werden", läutet Henry Hill (Ray Liotta) den Rückblick auf seine Gangsterkarriere ein. Das klingt nicht nur wie der Traum eines jeden Jungen "Ich wollte schon immer Pilot werden"; es ist ernst gemeint.

Der junge Hill ist fasziniert von den Mitgliedern der New Yorker Quartier-Mafia, von Jimmy (Robert de Niro) und Tommy (Joe Pesci), die machen können, was sie wollen, auf niemanden Rücksicht zu nehmen brauchen – außer auf die über ihnen – und viel Geld bei ihrem Beruf verdienen. Und Hill hat das Glück, in diese ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen und eingeführt zu werden, an der Seite von Jimmy und Tommy. Henry macht Karriere. Schon bald organisiert er selbst Banküberfälle. Wer dabei im Weg steht, wird "weggeräumt", umgebracht. Dabei sind Jimmy und vor allem Tommy nicht zimperlich. Sie verstehen ihr Handwerk, einschließlich Mord, und kennen kein Pardon und kein Gewissen.

So vergehen die Jahre und Henry baut sich eine wahre Gangsterexistenz mit allem Drum und Dran auf, einschließlich Frau Karen (Lorraine Bracco), Kindern und einer drogenabhängigen Geliebten.

Als er allerdings in den Drogenhandel einsteigt, bekommt er Probleme – nicht nur mit dem örtlichen Mafiaboss. Auch neuerlicher Raub wird ihm fast zum Verhängnis: Alle Beteiligten wollen ihr Geld. Jimmy, Tommy und Henry haben alle Hände voll zu tun, einen von ihnen nach dem anderen zu beseitigen, um potentielle Zeugen der Polizei aus dem Weg zu räumen. Dann wird Henry selbst verhaftet, und die anderen befürchten, er könne sie verraten ...

Scorsese malt ein Sittengemälde über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren. Dabei schildert er wie kaum ein anderer das kriminelle Milieu als ein eigenständiges soziales Milieu mit allen grausamen und doch für die Beteiligten völlig normalen, selbstverständlichen, in Fleisch und Blut übergegangenen Regeln. Die Virtuosität, mit der Scorsese die Lebensentwürfe und Lebensläufe der handelnden Personen in den sich verändernden Zeitgeist von den 50er bis zu den 80er Jahren schildert, ist beeindruckend und beklemmend zugleich. Diese Lebensentwürfe sind von nur einem geprägt, der Gier nach Macht, Geld, Einfluss, versteckt hinter einer oberflächlich bürgerlichen Fassade mit Familie, ja Sippe, und Gemeinschaft – natürlich in der Hauptsache von Männern. Freundschaft, Ehre, Vertrauen herrschen in diesem Milieu nur bis zu dem Punkt, an dem das eigene Streben nach Macht und Geld in Gefahr gerät. An diesem Punkt ist jeder bereit, seinen "besten Freund" brutal zu ermorden.

Je weiter der einzelne Gangster in diesem Milieu verhaftet ist, desto geringer auch nur der Hauch einer Chance, darüber nachzudenken oder gar auszusteigen. Doch diese Männer wollen auch gar nicht darüber nachdenken. Sie haben diesen Weg bewusst gewählt. Der Mord ist für sie kein Mord, sondern die Beseitigung eines Hindernisses. Wenn etwa ein aus dem Gefängnis zurückgekehrter Mafiosi wegen einer Beleidigung auf das grausamste umgebracht wird, bedeutet dies für die Beteiligten nichts anderes, als wenn jemand Bäume fällt, um ein Grundstück zu bebauen: die drei treten ihn mit den Füßen so lange ins Gesicht, bis er bewusstlos ist. Als sie ihn im Auto fortschaffen und merken, dass er noch lebt, traktieren sie ihn schlimmer als ein wildes Tier mit einem langen Küchenmesser und schießen ihm noch mehrfach in Kopf und Körper, bis auch ganz sicher ist, dass er tot ist.

Solche Szenen werden nicht häufig gezeigt; aber wenn, sind sie nicht nur abstoßend, sondern porträtieren zugleich die Verhaltensmuster eines Milieus, das auf eine schier unglaubliche, unmenschliche Weise selbstgerecht ist.

Scorseses Streifen enthält sehr viele Anklänge an den amerikanischen Gangsterfilm der 40er (etwa die Filme mit Edward G. Robinson), aber auch der 50er Jahre (z.B. die mit Frank Sinatra), verabschiedet sich aber zugleich von der Euphorie und Bewunderung dieser Streifen, in der das kriminelle (Mafia-)Milieu als eine Art Abenteuerroman daherkommt.

Robert de Niro, Ray Liotta und Joe Pesci sind ein Volltreffer-Trio für einen solchen Film. Sie gehen sozusagen ganz und gar in der Mafia-Szene auf, sind glaubwürdig in der Darstellung der entsprechenden Verhaltensmuster und lassen keinen Zweifel über die Charaktere, die sie spielen, aufkommen: Der Zweck heiligt für sie wirklich jedes Mittel; selbst vor der eigenen Mutter oder Frau oder anderen Familienmitgliedern würden sie keinen Halt machen.

Scorsese ist Moralist, ein extremer Moralist sogar, und sein Film ist ein deutlicher Kontrapunkt etwa zu "Der Pate" von Coppola, in dem die Gangsterwelt zwar ruchlos, aber eben doch irgendwo auch ehrbar erscheint. Trotzdem ist "GoodFellas" kein moralisierender Film mit dem Zeigefinger. Scorsese erzählt die Geschichte so nah an der Realität (bzw. der Autobiografie Hills) wie irgend möglich. Er lässt die Gangster für sich sprechen. Sie sind es, deren Verhalten, Denken, Handeln den Betrachter entweder abstoßen oder anziehen, deren Milieu auf den Zuschauer als Zeugen attraktiv oder widerlich wirkt, eine Milieu, das kompakt, logisch "durchdacht", verhaltensmäßig eindeutig ist – und doch brüchig wie kaum etwas anderes, weil die Fassade von Ehre und Freundschaft gnadenlos zusammenbricht, wenn sich einer "auf den Schlips getreten" fühlt. Kampf, Gier, Machtdrang in Permanenz, bis zur Erschöpfung, bis die Zeiten sich so verändert haben, dass auch ein Henry Hill nicht mehr mithalten kann und als Kronzeuge gegen seine "besten Freunde" aussagt. Auch eine Logik des Milieus, denn jetzt ging es um sein Leben!

Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2016. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 66. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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